Immanuel Kant

Allgemeine Naturgeschichte und Theorie Des Himmels

Beschluss

Es ist uns nicht einmal recht bekannt, was der Mensche anjetzt wirklich ist, ob uns gleich das Bewusstsein und die Sinne hievon belehren sollten; wie viel weniger werden wir errathen können, was er dereinst werden soll! Dennoch schnappt die Wissbegierde der menschlichen Seele sehr begierig nach diesem von ihr so entfernten Gegenstande und strebt, in solchem dunkeln Erkenntnisse einiges Licht zu bekommen.

Sollte die unsterbliche Seele wohl in der ganzen Unendlichkeit ihrer künftigen Dauer, die das Grab selber nicht unterbricht, sondern nur verändert, an diesen Punkt des Weltraumes, an unsere Erde, jederzeit geheftet bleiben? Sollte sie niemals von den übrigen Wundern der Schöpfung eines näheren Anschauens theilhaftig werden? Wer weiss, ist es ihr nicht zugedacht, dass sie dereinst jene entfernte Kugeln des Weltgebäudes und die Trefflichkeit ihrer Anstalten, die schon von weitem ihre Neugierde so reizen, von nahem soll kennen lernen? Vielleicht bilden sich darum noch einige Kugeln des Planetensystems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit, die unserem Aufenthalte allhier vorgeschrieben ist, uns in andern Himmeln neue Wohnplätze zu bereiten. Wer weiss, laufen nicht jene Trabanten um den Jupiter, um uns dereinst zu leuchten?

Es ist erlaubt, es ist anständig, sich mit dergleichen Vorstellungen zu belustigen; allein niemand wird die Hoffnung des Künftigen auf so unsichern Bildern der Einbildungskraft gründen. Nachdem die Eitelkeit ihren Antheil an der menschlichen Natur wird abgefordert haben: so wird der unsterbliche Geist mit einem schnellen Schwunge sich über alles, was endlich ist, empor schwingen und in einem neuen Verhältnisse gegen die ganze Natur, welche aus einer näheren Verbindung mit dem höchsten Wesen entspringt, sein Dasein fortsetzen. Forthin wird diese erhöhte Natur, welche die Quelle der Glückseligkeit in sich selber hat, sich nicht mehr unter den äusseren Gegensänden zerstreuen, um eine Beruhigung bei ihnen zu suchen. Der gesammte Inbegriff der Geschöpfe, welcher eine nothwendige Übereinstimmung zum Wohlgefallen des höchsten Urwesens hat, muss sie auch zu dem seinigen haben und wird sie nicht anders, als mit immerwährender Zufriedenheit rühren.

In der That wenn man mit solchen Betrachtungen und mit den vorhergehenden sein Gemüth erfüllt hat: so giebt der Anblick eines bestirnten Himmels bei einer heitern Nacht eine Art des Vergnügens, welches nur edle Seelen empfinden. Bei der allgemeinen Stille der Natur und der Ruhe der Sinne redet das verborgene Erkenntnissvermögen des unsterblichen Geistes eine unnennbare Sprache und giebt unausgewickelte Begriffe, die sich wohl empfinden, aber night beschreiben lassen. Wenn es unter den denkenden Geschöpfen dieses Planeten niederträchtige Wesen giebt, die ungeachete aller Reizungen, womit ein so grosser Gegenstand sie anlocken kann, dennoch im Stande sind, sich fest an die Dienstbarkeit der Eitelkeit zu heften: wie unglücklich ist diese Kugel, dass sie so elende Geschöpfe hat erziehen können! Wie glücklich aber ist sie andererseits, da ihr unter den allerannehmungswürdigsten Bedingungen ein Weg eröffnet ist, zu einer Glückseligkeit und Hoheit zu gelangen, welche unendlich weit über die Vorzüge erhaben ist, die die allervortheilhafteste Einrichtung der Natur in allen Weltkörpern erreichen kann!