Immanuel Kant

Allgemeine Naturgeschichte und Theorie Des Himmels

Siebentes Hauptstück

Von der Schöpfung im ganzen Umfange ihrer Unendlichkeit sowohl dem Raume, als der Zeit nach.

Das Welgebäude setzt durch seine unermessliche Grösse und durch die unendliche Mannigfaltigkeit und Schönheit, welche aus ihm von allen Seiten hervorleuchtet, in ein stilles Erstaunen. Wenn die Vorstellung aller dieser Vollkommenheit nun die Einbildungskraft rührt, so nimmt den Verstand andererseits eine andere Art der Entzückung ein, wenn er betrachtet, wie so viel Pracht, so viel Grösse aus einer einzigen allgemeinen Regel mit einer ewigen und richtigen Ordnung abfliesst. Der planetische Weltbau, in dem die Sonne aus dem Mittelpunkte aller Kreise mit ihrer mächtigen Anziehung die bewohnte Kugeln ihres Systems in ewigen Kreisen umlaufend macht, ist gänzlich, wie wir gesehen haben, aus dem ursprünglich ausgebreiteten Grundstoff aller Weltmaterie gebildet worden. Alle Fixsterne, die das Auge an der hohlen Tiefe des Himmels entdeckt, und die eine Art von Verschwendung anzuzeigen scheinen, sind Sonnen und Mittelpunkte von ähnlichen Systemen. Die Analogie erlaubt es also hier nicht, zu zweifeln, dass diese auf die gleiche Art, wie das, darin wir uns befinden, aus den kleinsten Theilen der elementarischen Materie, die den leeren Raum, diesen unendlichen Umfang der göttlichen Gegenwart, erfüllte, gebildet und erzeugt worden.

Wenn nun alle Welten und Weltordnungen dieselbe Art ihres Ursprungs erkennen, wenn die Anziehung unbeschränkt und allgemein, die Zurückstossung der Elemente aber ebenfalls durchgehends wirksam, wenn bei dem Unendlichen das Grosse und Kleine beiderseits klein ist: sollten nicht alle die Weltgebäude gleichermassen eine beziehende Verfassung und systematische Verbindung unter einander angenommen haben, als die Himmelskörper unserer Sonnenwelt im kleinen, wie Saturn, Jupiter und die Erde, die für sich insonderheit Systeme sind und dennoch unter einander als Glieder in einem noch grössern zusammen hängen? Wenn man in dem unermesslichen Raume, darin alle Sonnen der Milchstrasse sich gebildet haben, einen Punkt annimmt, um welchen durch ich weiss nicht was für eine Ursache die erste Bildulng der Natur aus dem Chaos angefangen hat: so wird daselbst die grösste Masse und ein Körper von der ungemeinsten Attraction entstanden sein, der dadurch fähig geworden, in einer ungeheuren Sphäre um sich alle in der Bildung begriffene Systeme zu nöthigen, sich gegen ihn, als ihren Mittelpunkt, zu senken und um ihn ein gleiches System im Ganzen zu errichten, als derselbe elementarische Grudstoff, der die Planeten bildete, um die Sonne im Kleinen gemacht hat. Die Beobachtung macht diese Muthmassung beinahe ungezweifelt. Das Heer der Gestirne macht durch seine beziehende Stellung gegen einen gemeinschaftlichen Plan eben sowohl ein System aus, als die Planeten unseres Sonnenbaues um die Sonne. Die Milchstrasse ist der Zodiakus dieser höheren Weltordnungen, die von seiner Zone so wenig als möglich abweichen, und deren Streif immer von ihrem Lichte erleuchtet ist, so wie der Thierkreis der Planeten von dem Scheine dieser Kugeln, obzwar nur in sehr wenig Punkten, hin und wieder schimmert. Eine jede dieser Sonnen macht mit ihren umlaufenden Planeten für sich ein besonderes System aus; allein dieses hindert nicht, Theile eines noch grösseren Systems zu sein, so wie Jupiter oder Saturn ungeachtet ihrer eigenen Begleitung in der systematischen Verfassung eines noch grösseren Weltbaues beschränkt sind. Kann man an einer so genauen Übereinstimmung in der Verfassung nicht die gleiche Ursache und Art der Erzeugung erkennen?

Wenn nun die Fixsterne ein System ausmachen, dessen Umfang durch die Anziehungssphäre desjenigen Körpers, der in Mittelpunkte befindlich ist, bestimmt wird, werden nicht mehr Sonnensystemata und, so zu reden, mehr Milchstrassen entstanden sein, die in dem grenzenlosen Felde des Weltraums erzeugt worden? Wir haben mit Erstauen Figuren am Himmel erblickt, welche nichts anders, als solche auf einen gemeinschaftlichen Plan beschränkte Fixsternensystemata, solche Milchstrassen, wenn ich mich so ausdrücken darf, sind, die in verschiedenen Stellungen gegen das Auge mit einem ihrem unendlichen Abstande gemäss geschwächten Schimmer elliptische Gestalten darstellen; es sind Systemata von, so zu sagen, unendliche mal unendlich grösserm Durchmesser, als der Diameter unseres Sonnenbaues ist, aber ohne Zweiffel auf gleiche Art entstanden, aus gleichen Ursachen geordnet und eingerichtet und erhalten sich durch ein gleiches Triebwerk, als dieses in ihrer Verfassung.

Wenn man diese Sternensystemata wiederum als Glieder an der grossen Kette der gesammten Natur ansieht, so hat man eben so viel Ursache, wie vorher, sie in einer gegenseitigen Beziehung zu gedenken und in Verbindungen, welche kraft des durch die ganze Natur herrschenden Gesetzes der ersten Bildung ein neues, noch grösseres System ausmachen, das durch die Anziehung eines Körpers von ungleich mächtiger Attraction, als alle die vorige waren, aus dem Mittelpunkte ihrer regelmässigen Stellungen regiert wird. Die Anziehung, welche die Ursache der systematischen Verfassung unter den Fixsternen der Milchstrassse ist, wirkt auch noch in der Entfernung eben dieser Weltordnungen, um sie aus ihren Stellungen zu bringen und die Welt in einem unvermeidlich bevorstehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regelmässig ausgetheilte Schwungskräfte der Attraction das Gegengewicht leisten und beiderseits in Verbindung diejenige Beziehung hervorbringen, die der Grund der systematischen Verfassung ist. Die Anziehung ist ohne Zweifel eine eben so weit ausgedehnte Eigenschaft der Materie, als die Coexistenz, welche den Raum macht, indem sie die Substanzen durch gegenseitige Abhängigkeiten verbindet, oder, eigentlicher zu reden, die Anziehung ist eben diese allgemeine Beziehung, welche die Theile der Natur in einem Raume vereinigt: sie erstreckt sich also auf die ganze Ausdehnung desselben bis in allen Weiten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von diesen entfernten Systemen zu uns gelangt, das Licht, welches nur eine eingedrückte Bewegung ist, muss nicht vielmehr die Anziehung, diese ursprüngliche Bewegungsquelle, welche eher, wie all Bewegung ist, die keiner fremden Ursachen bedarf, auch durch keine Hinderniss kann aufgehalten werden, weil sie in das Innerste der Materie ohne einigen Stoss selbst bei der allgemeinen Ruhe der Natur wirkt, muss, sage ich, die Anziehung nicht diese Fixsternen-Systemata ihrer unermesslichen Entfernungen ungeachtet bei der ungebildeten Zerstreuung ihres Stoffes im Anfange der Regung der Natur in Bewegung versetzt haben, die eben so, wie wir im Kleinen gesehen haben, die Quelle der systematischen Verbindung und der dauerhaften Beständigkeit ihrer Glieder ist, die sie vor dem Verfall sichert?

Aber welches wird denn endlich das Ende der systematischen Einrichtungen sein? Wo wird die Schöpfung selber aufhören? Man merkt wohl, dass, um sie in einem Verhältnisse mit der Macht des unendlichen Wesens zu gedenken, sie gar keine Grenzen haben müsse. Man kommt der Unendlichkeit der Schöpfungskraft Gottes nicht näher, wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer Sphäre, mit dem Radius der Milchstrasse beschrieben, einschliesst, als wenn man ihn in eine Kugel beschränken will, die einen Zoll im Durchmesster hat. Alles, was endlich, was seine Schranken und ein bestimmtes Verhältniss zur Einheit hat, ist von dem Unendlichen gleich weit entfernt. Nun wäre es ungereimt, die Gottheit mit einem unendlich kleinen Theile ihres schöpferischen Vermögens in Wirksamkeit zu setzen und ihre unendliche Kraft, den Schatz einer wahren Unermesslichkeit von Naturen und Welten, unthätig und in einem ewigen Mangel der Ausübung verschlossen zu gedenken. Ist es nicht vielmehr anständiger, oder, besser zu sagen, ist es nicht nothwendig, den Inbegriff der Schöpfung also anzustellen, als er sein muss, um ein Zeugniss von derjenigen Macht zu sein, die durch keinen Massstab kann abgemessen werden? Aus diesem Grunde ist das Feld der Offenbarung göttlicher Eigenschaften eben so unendlich, als diese selber sind. Die Ewigkeit ist nicht hinlänglich, die Zeugnisse des höchsten Wesens zu fassen, wo sie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes verbunden wird. Es ist wahr, die Ausbildung, die Form, die Schönheit und Vollkommenheit sind Beziehungen der Grundstücke und der Substanzen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und man bemerkt es an den Anstalten, die die Weisheit Gottes noch zu aller Zeit trifft; es ist ihr auch am gemässesten, dass sie sich aus dieser ihren eingepflanzten allgemeinen Gesetzen durch eine ungezwungene Folge herauswickeln. Und daher kann man mit gutem Grunde setzen, dass die Anordnung und Einrichtung der Weltgebäude aus dem Vorrathe des erschaffenen Naturstoffes in einer Folge der Zeit nach und nach geschehe; allein die Grundmaterie selber, deren Eigneschaften und Kräfte allen Veränderungen zum Grunde liegen, ist eine unmittelbare Folge des göttlichen Daseins: selbige muss also auf einmal so reich, so vollständig sein, dass die Entwickelung ihrer Zusammensetzungen in dem Abflusse der Ewigkeit sich über einen Plan ausbreiten könne, der alles in sich schliesst, was sein kann, der kein Mass annimmt, kurz, der unendlich ist.

Wenn nun also die Schöpfung der Räume nach unendlich ist, oder es wenigstens der Materie nach wirklich von Anbeginn her schon gewesen ist, der Form, oder der Ausbildung nach aber es bereit ist, zu werden, so wird der Weltraum mit Welten ohne Zahl und ohne Ende belebt werden. Wird denn nun jene systematische Verbindung, die wir vorher bei allen Theilen insonderheit erwogen haben, auch aufs Ganze gehen und das gesammte Universum, das All der Natur, in einem einigen System durch die Verbindung der Anziehung und der fliehenden Kraft zusammen fassen? Ich sage ja; wenn nur lauter abgesonderte Weltgebäude, die unter einander keine vereinte Beziehung zu einem Ganzen hätten, vorhanden wären, so könnte man wohl, wenn man diese Kette von Gliedern als wirklich unendlich annähme, gedenken, dass eine genaue Gleichheit der Anziehung ihrer Theile von allen Seiten diese Systemata vor dem Verfall, den ihnen die innere Wechselanziehung droht, sicher halten könne. Allein hiezu gehört eine so genaue abgemessene Bestimmung in den nach der Attraction abgewogenen Entfernungen, dass auch die geringste Verrückung dem Universo den Untergang zuziehen und sie in langen Perioden, die aber doch endlich zu Ende laufen müssen, dem Umsturze überliefern würde. Eine Weltverfassung, die sich ohne ein Wunder nicht erhielt, hat nicht den Charackter der Beständigkeit, die das Merkmal der Wahl Gottes ist; man trifft es also dieser weit anständiger, wenn man der gesammten Schöpfung ein einziges System macht, welches alle Welten und Weltordnungen, die den ganzen unendlichen Raum ausfüllen, auf einen einigen Mittelpunkt beziehend macht. Ein zerstreutes Gewimmel von Weltgebäuden, sie möchten auch durch noch so weite Entfernungen von einander getrennt sein, würde mit einem unverhinderten Hang zum Verderben und zur Zerstörung eilen, wenn nicht eine gewisse beziehende Einrichtung gegen einen allgemeinen Mittelpunkt, das Centrum der Attraction des Universi und den Unterstützungspunkt der gesammten Natur, durch systematische Bewegungen getroffen wäre.

Um diesen allgemeinen Mittelpunkt der Senkung der ganzen Natur, sowohl der gebildeten, als der rohen, in welchem sich ohne Zweifel der Klumpen von der ausnehmendsten Attraction befindet, der in seine Anziehungssphäre alle Welten und Ordnungen, die die Zeit hervorgebracht hat und die Ewigkeit hervorbringen wird, begreift, kann man mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Natur den Anfang ihrer Bildung gemacht, und daselbst auch die Systemen am dichtesten gehäuft seien, weiter von demselben aber in der Unendlichkeit des Raumes sich mit immer grösseren Graden der Zerstreuung verlieren. Man könnte diese Regel aus der Analogie unseres Sonnenbaues abnehmen, und diese Verfassung kann ohnedem dazu dienen, dass in grossen Entfernungen nicht allein der allgemeine Centralkörper, sondern auch alle um ihn zunächst laufende Systemata ihre Anziehung zusammen vereinigen und sie gleichsam aus einem Klumpen gegen die Systemata des noch weiteren Abstandes ausüben. Dieses wird alsdann mit dazu behülflich sein, die ganze Natur in der ganzen Unendlichkeit ihrer Erstreckung in einem einzigen Systema zu begreifen.

Um nun der Errichtung dieses allgemeinen Systems der Natur aus den mechanischen Gesetzen der zur Bildung strebenden Materie nachzuspüren: so muss in dem unendlichen Raume des ausgebreiteten elementarischen Grundstoffes an irgend einem Orte dieser Grundstoff die dichteste Häufung gehabt haben, um durch die daselbst geschehende vorzügliche Bildung dem gesammten Universo eine Masse verschafft zu haben, die ihm zum Unterstützungspunkte diente. Es ist zwar an dem, dass in einem unendlichen Raume kein Punkt eigentlich das Vorrecht haben kann, der Mittelpunkt zu heissen; aber vermittelst eines gewissen Verhältnisses, das sich auf die wesentliche Grade der Dichtigkeit des Urstoffes gründet, nach welchem dieser zugleich mit seiner Schöpfung an einem gewissen Orte vorzüglich dichter gehäuft und mit den Weiten von demselben in der Zerstreuung zunimmt, kann ein solcher Punkt das Vorrecht haben, der Mittelpunkt zu heissen, und er wird es auch wirklich durch die Bildung der Centralmasse von der kräftigsten Anziehung in demselben, zu dem sich alle übrige in Particularbildungen begriffene elementarische Materie senkt und dadurch, so weit sich auch die Auswickelung der Natur erstrecken mag, in der unendlichen Sphäre der Schöpfung aus dem ganzen All nur ein einziges System macht.

Das ist aber was Wichtiges, und welches, wofern es Beifall erlangt, der grössten Aufmerksamkeit würdig ist, dass der Ordnung der Natur in diesem unserm System zu Folge die Schöpfung, oder vielmehr die Ausbildung der Natur bei diesem Mittelpunkte zuerst anfängt und mit stetiger Fortschreitung nach und nach in alle fernere Weiten ausgebreitet wird, um den unendlichen Raum in dem Fortgange der Ewigkeit mit Welten und Ordnungen zu erfüllen. Lasset uns dieser Vorstellung einen Augenblick mit stillem Vergnügen nachhängen. Ich finde nichts, das den Geist des Menschen zu einem edleren Erstaunen erheben kann, indem es ihm eine Aussicht in das unendliche Feld der Allmacht eröffnet, als diesen Theil der Theorie, der die successive Vollendung der Schöpfung betrifft. Wenn man mir zugiebt, dass die Materie, die der Stoff zu Bildung aller Welten ist, in dem ganzen unendlichen Raume der göttlichen Gegenwart nicht gleichförmig, sondern nach einem gewissen Gesetze ausgebreitet gewesen, das sich vielleicht auf die Dichtigkeit der Partikeln bezog, und nach welchem von einem gewissen Punkte, als dem Orte der dichtesten Häufung, mit den Weiten von diesem Mittelpunkte die Zerstreuung des Urstoffes zunahm: so wird in der ursprünglichen Regung der Natur die Bildung zunächst diesem Centro angefangen und dann in fortschreitender Zeitfolge der weitere Raum nach und nach Welten und Weltordnungen mit einer gegen diesen sich beziehenden systematischen Verfassung gebildet haben. Ein jeder endliche Periodus, dessen Länge zu der Grösse des zu vollbringenden Werks ein Verhältniss hat, wird immer nur eine endliche Sphäre von diesem Mittelpunkte an zur Ausbildung bringen; der übrige unendliche Theil wird indessen noch mit der Verwirrung und dem Chaos streiten und um so viel weiter von dem Zustande der vollendeten Bildung entfernt sein, je weiter dessen Abstand von der Sphäre der schon ausgebildeten Natur entfernt ist. Diesem zu Folge ob wir gleich von dem Orte unseres Auftenthalts in dem Universo eine Aussicht in eine, wie es scheint, völlig vollendete Welt und, so zu reden, in ein unendliches Heer von Weltordnungen, die systematisch verbunden sind, haben: so befinden wir uns doch eigentlich nur in einer Naheit zum Mittelpunkte der ganzen Natur, wo diese sich schon aus dem Chaos ausgewickelt und ihre gehörige Vollkommenheit erlangt hat. Wenn wir eine gewisse Sphäre überschreiten könnten, würden wir daselbst das Chaos und die Zerstreuung der Elemente erblicken, die nach dem Masse, als sie sich diesem Mittelpunkte näher befinden, den rohen Zustand zum Theil verlassen und der Vollkommenheit der Ausbildung näher sind, mit den Graden der Entfernung aber sich nach und nach in einer völligen Zerstreuung verlieren. Wir würden sehen, wie der unendliche Raum der göttlichen Gegenwart, darin der Vorrath zu allen möglichen Naturbildungen anzutreffen ist, in einer stillen Nacht begraben, voll von Materie, den künftig zu erzeugenden Welten zum Stoffe zu dienen, und von Triebfedern sie in Bewegung zu bringen, die mit einer schwachen Regung diejenige Bewegungen anfangen, womit die Unermesslichkeit dieser öden Räume dereinst noch soll belebt werden. Es ist vielleicht eine Reihe von Millionen Jahren und Jahrhunderten verflossen, ehe die Sphäre der gebildeten Natur, darin wir uns befinden, zu der Vollkommenheit gediehen ist, die ihr jetzt beiwohnt; und es wird veilleicht ein eben so langer Periodus vergehen, bis die Natur einen eben so weiten Schritt in dem Chaos thut: allein die Sphäre der ausgebildeten Natur ist unaufhörlich beschäftigt, sich auszubreiten. Die Schöpfung ist nicht das Werk von einem Augenblicke. Nachdem sie mit der Hervorbringung einer Unendlichkeit von Substanzen und Materie den Anfang gemacht hat, so ist sie mit immer zunehmenden Graden der Fruchtbarkeit die ganze Folge der Ewigkeit hindurch wirksam. Es werden Millionen und ganze Gebürge von Millionen Jahrhunderten verfliessen, binnen welcher immer neue Welten und Weltordnungen nach einander in den entfernten Weiten von dem Mittelpunkte der Natur sich bilden und zur Vollkommenheit gelangen werden; sie werden unerachtet der systematischen Verfassung, die unter ihren Theilen ist, eine allgemeine Beziehung auf den Mittelpunkt erlangen, welcher der erste Bildungspunkt und das Centrum der Schöpfung durch das Anziehungsvermögen seiner vorzüglichen Masse geworden ist. Die Unendlichkeit der künftigen Zeitfolge, womit die Ewigkeit unerschöpflich ist, wird alle Räume der Gegenwart Gottes ganz und gar beleben und in die Regelmässigkeit, die der Trefflichkeit seines Entwurfes gemäss ist, nach und nach versetzen; und wenn man mit einer kühnen Vorstellung die ganze Ewigkeit, so zu sagen, in einem Begriffe zusammen fassen könnte, so würde man auch den ganzen unendlichen Raum mit Weltordnungen angefüllt und die Schöpfung vollendet ansehen können. Weil aber in der That von der Zeitfolge der Ewigkeit der rückständige Theil allemal unendlich und der abgegflossene endlich ist, so ist die Sphäre der ausgebildeten Natur allemal nur ein unendlich kleiner Theil desjenigen Inbegriffs, der den Samen zukünftiger Welten in sich hat und sich aus dem rohen Zustande des Chaos in längern oder kürzern Perioden auszuwickeln trachtet. Die Schöpfung ist niemals vollendet. Sie hat zwar einmal angefangen, aber sie wird niemals aufhören. Sie ist immer geschäftig, mehr Auftritte der Natur, neue Dinge und neue Welten hervor zu bringen. Das Werk, welches sie zu Stande bringt, hat ein Verhältniss zu der Zeit, die sie darauf anwendet. Sie braucht nichts weniger, als eine Ewigkeit, um die ganze grenzenlose Weite der unendlichen Räume mit Welten ohne Zahl und ohne Ende zu beleben. Man kann von ihr dasjenige sagen, was der erhabenste unter den deutschen Dichtern von der Ewigkeit schreibt:

Unendlichkeit! Wer wisset dich?
Vor dir sind Welten Tag und Menschen Augenblicke;
Vielleicht die tausendste der Sonnen wälzt jetzt sich,
Und tausend bleiben noch zurücke.
Wie eine Uhr, beseelt durch ein Gewicht,
Eilt eine Sonn', aus Gottes Kraft bewegt:
Ihr Trieb läuft ab, und eine andre schlägt,
Du aber bleibst und zählst sie nicht.
v. Haller

Es ist ein nicht geringes Vergnügen, mit seiner Einbildungskraft über die Grenze der vollendeten Schöpfung in den Raum des Chaos auszuschweifen und die halb rohe Natur in der Naheit zur Sphäre der ausgebildeten Welt sich nach und nach durch alle Stufen und Schattirungen der Unvollkommenheit in dem ganzen ungebildeten Raume verlieren zu sehen. Aber ist es nicht eine tadelnswürdige Kühnheit, wird man sagen, eine Hypothese aufzuwerfen und sie als einen Vorwurf der Ergötzung des Verstandes anzupreisen, welche veilleicht nur gar zu willkürlich ist, wenn man behauptet, dass die Natur nur einem unendlich kleinen Theile nach ausgebildet sei, und unendlich Räume noch mit dem Chaos streiten, um in der Folge künftiger Zeiten ganze Heere von Welten und Weltordnungen in aller gehörigen Ordnung und Schönheit darzustellen? Ich bin den Folgen, die meine Theorie darbietet, nicht so sehr ergeben, dass ich nicht erkennen sollte, wie die Muthmassung von der successiven Ausbreitung der Schöpfung durch die unendliche Räume, die den Stoff dazu in sich fassen, den Einwurf der Unerweislichkeit nicht völlig ablehnen könne. Indessen versprehe ich mir doch von denjenigen, welche die Grade der Wahrscheinlichkeit zu schätzen im Stande sind, dass eine solche Karte der Unendlichkeit, ob sie gleich einen Vorwurf begreift, der bestimmet zu sein scheint, dem menschlichen Verstande auf ewig verborgen zu sein, nicht um deswillen sofort als ein Hirngespinst werde angesehen werden, vornehmlich wenn man die Analogie zu Hülfe nimmt, welche uns allemal in sochen Fällen leiten muss, wo dem Verstande der Faden der untrüglichen Beweise mangelt.

Man kann aber auch die Analogie noch durch annehmungswürdige Gründe unterstützen, und die Einsicht des Lesers, wofern ich mich solches Beifalls schmeicheln darf, wird sie vielleicht mit noch wichtigern vermehren können. Denn wenn man erwägt, dass die Schöpfung den Charakter der Beständigkiet nicht mit sich führt, wofern sie der allgemeinen Bestrebung der Anziehung, die durch alle ihre Theile wirkt, nicht eine eben so durchgängige Bestimmung entgegen setzt, die dem Hange der ersten zum Verderben und zur Unordnung gnugsam widerstehen kann, wenn sie nicht Schwungskräfte ausgetheilt hat, die in der Verbindung mit der Centralneigung eine allgemeine systematische Verfassung festsetzen: so wird man genöthigt, einen allgemeinen Mittelpunkt des ganzen Weltalls anzunehmen, der alle Theile desselben in verbundener Beziehung zusammen hält und aus dem ganzen Inbegriff der Natur nur ein System macht. Wenn man hiezu den Begriff von der Bildung der Weltkörper aus der zerstreueten elementarischen Materie fügt, wie wir ihn in dem vorhergehenden entworfen haben, jedoch ihn allhier nicht auf ein absonderliches System einschränkt, sondern über die ganze Natur ausdehnt: so wird man genöthigt, eine solche Austheilung des Grundstoffes in dem Raume des ursprünglichen Chaos zu gedenken, die natürlicher Weise einen Mittelpunkt der ganzen Schöpfung mit sich bringt, damit in diesen die wirksame Masse, die in ihrer Sphäre die gesammte Natur begreift, zusammengebracht und die durchgängige Beziehung bewirkt werden könne, wodurch alle Welten nur ein einziges Gebäude ausmachen. Es kann aber in dem unendlichen Raume kaum eine Art der Austheilung des ursprünglichen Grundstoffes gedacht werden, die einen wahren Mittel- und Senkungspunkt der gesammten Natur setzen sollte, als wenn sie nach einem Gesetze der zunehmenden Zerstreuung von diesem Punkte an in alle ferne Weiten eingerichtet ist. Dieses Gestetz aber setzt zugleich einen Unterschied in der Zeit, die ein System in der verschiedenen Gegenden des unendlichen Raumes gebraucht, zur Reife seiner Ausbildung zu kommen, so dass diese Periode desto kürzer ist, je näher der Bildungsplatz eines Weltbaues sich dem Centro der Schöpfung befindet, weil daselbst die Elemente des Stoffes dichter gehäuft sind, und dagegen um desto länger Zeit erfordert, je weiter der Abstand ist, weil die Partikeln daselbst zerstreueter sind und später zur Bildung zusammen kommen.

Wenn man die ganze Hypothese, die ich entwerfe, in dem ganzen Umfange sowohl dessen, was ich gesagt habe, als was ich noch eigentlich darlegen werde, erwägt, so wird man die Kühnheit ihrer Forderungen wenigstens nicht für unfähig halten, eine Entschuldigung anzunehmen. Man kann den unvermeidlichen Hang, den ein jegliches zur Vollkommenheit gebrachte Weltgebäude nach und nach zu seinem Untergange hat, unter die Gründe rechnen, die es bewähren können, dass das Universum dagegen in andern Gegenden an Welten fruchtbar sein werde, um den Mangel zu ersetzen, den es an einem Orte erlitten hat. Das ganze Stück der Natur, das wir kennen, ob es gleich nur ein Atomus in Ansehung dessen ist, was über oder unter unserem Gesichtskreise verborgen bleibt, bestätigt doch diese Fruchtbarkeit der Natur, die ohne Schranken ist, weil sie nichts anders, als die Ausübung der göttlichen Allmacht selber ist. Unzählige Thiere und Pflanzen werden täglich zerstört und sind ein Opfer der Vergänglichkeit; aber nicht weniger bringt die Natur durch ein unerschöpftes Zeugungsvermögen an andern Orten wiederum hervor und füllt das Leere aus. Beträchtliche Stücke des Erdbodens, den wir bewohnen, werden wiederum in dem Meere begraben, aus dem sie ein günstiger Periodus hervorgezogen hatte; aber an anderen Orten ergänzt die Natur den Mangel und bringt andere Gegenden hervor, die in der Tiefe des Wassers verborgen waren, um neue Reichthümer ihrer Fruchtbarkeit über dieselbe auszubreiten. Auf die gleiche Art vergehen Welten und Weltordnungen und werden von dem Abgrunde der Ewigkeiten verschlungen; dagegen ist die Schöpfung immerfort geschäftig, in andern Himmelsgegenden neue Bildungen zu verrichten und den Abgang mit Vortheile zu ergänzen.

Man darf nicht erstaunen, selbst in dem Grossen der Werke Gottes eine Vergänglichkeit zu verstatten. Alles, was endlich ist, was einen Anfang und Ursprung hat, hat das Merkmaal seiner eingeschränkten Natur in sich; es muss vergehen und eine Ende haben. Die Dauer eines Weltbaues hat durch die Vortrefflichkeit ihrer Errichtung eine Beständigkeit in sich, die unsern Begriffen auch einer unendlichen Dauer nahe kommt. Vielleicht werden tausend, vielleicht Millionen Jahrhunderte sie nicht vernichten; allein weil die Eitelkeit, die an den endlichen Naturen haftet, beständig an ihrer Zerstörung arbeitet, so wird die Ewigkeit alle mögliche Perioden in sich halten, um durch einen allmählichen Verfall den Zeitpunkt ihres Unterganges doch endlich herbei zu führen. Newton, dieser grosse Bewunderer der Eigenschaften Gottes aus der Vollkommenheit seiner Werke, der mit der tiefsten Einsicht in die Trefflichkeit der Natur die grösste Ehrfurcht gegen die Offenbarung der göttlichen Allmacht verband, sah sich genöthigt, der Natur ihren Verfall durch den natürlichen Hang, den die Mechanik der Bewegungen dazu hat, vorher zu verkündigen. Wenn eine systematische Verrfassung durch die wesentliche Folge der Hinfälligkeit in grossen Zeitläufen auch den allerkleinsten Theil, den man sich nur gedenken mag, dem Zustande ihrer Verwirrung nähert: so muss in dem unendlichen Ablaufe der Ewigkeit doch ein Zeitpunkt sein, da diese allmähliche Verminderung alle Bewegung erschöpft hat.

Wir dürfen aber den Untergang eines Weltgebäudes nicht als einen wahren Verlust der Natur bedauren. Sie beweiset ihren Reichthum in einer Art von Verschwendung, welche, indem einige Theile der Vergänglichkeit den Tribut bezahlen, sich durch unzählige neue Zeugungen in dem ganzen Umfange ihrer Vollkommenheit unbeschadet erhält. Welch eine unzählige Menge Blumen und Insecten zerstört ein einziger kalter Tag; aber wie wenig vermisst man sie, unerachtet es herrliche Kunstwerke der Natur und Beweisthümer der göttlichen Allmacht sind! An einem andern Orte wird dieser Abgang mit Überfluss wiederum ersetzt. Der Mensch, der das Meisterstück der Schöpfung zu sein scheint, ist selbst von diesem Gesetze nicht ausgenommen. Die Natur beweiset, dass sie eben so reich, eben so unerschöpft in Hervorbringung des Trefflichsten unter den Creaturen, als des Geringschätzigsten ist, und dass selbst deren Untergang eine nothwendige Schattirung in der Mannigfaltigkeit ihrer Sonnen ist, weil die Erzeugung derselben ihr nichts kostet. Die schädlichen Wirkungen der angesteckten Luft, die Erdbeben, die Überschwemmungen vertilgen ganze Völker von dem Erdboden; allein es scheint nicht, dass die Natur dadurch einigen Nachtheil erlitten habe. Auf gleiche Weise verlassen ganze Welten und Systemen den Schauplatz, nachdem sie ihre Rolle ausgespielt haben. Die Unendlichkeit der Schöpfung ist gross genug, um eine Welt, oder eine Milchstrasse von Welten gegen sie anzusehen, wie man eine Blume, oder ein Insect in Vergleichung gegen die Erde ansieht. Indessen, dass die Natur mit veränderlichen Auftritten die Ewigkeit ausziert, bleibt Gott in einer unaufhörlichen Schöpfung geschäftig, den Zeug zur Bildung noch grösserer Welten zu formen.

Der stets mit einem gleichen Auge, weil er der Schöpfer ja von allen,
Sieht einen Helden untergehen und einen kleinen Sperling fallen,
Sieht eine Wasserblase springen und eine ganze Welt vergehn.
(Pope, nach Brockes' Übersetzung)

Lasst uns also unser Auge an diese erschreckliche Umstürzungen als an die gewöhnlichen Wege der Vorsehung gewöhnen und sie sogar mit einer Art von Wohlgefallen ansehen. Und in der That ist dem Reichthume der Natur nichts anständiger als dieses. Denn wenn ein Weltsystem in der langen Folge seiner Dauer alle Mannigfaltigkeit erschöpft, die seine Einrichtung fassen kann, wenn es nun ein überflüssiges Glied in der Kette der Wesen geworden: so ist nichts geziemender, als dass es in dem Schauspiele der ablaufenden Veränderungen des Universi die letzte Rolle spielt, die jedem endlichen Dinge gebührt, nämlich der Vergänglichkeit ihr Gebühr abtrage. Die Natur zeigt, wie gedacht, schon in dem kleinen Theile ihres Inbegriffes diese Regel ihres Verfahrens, die das ewige Schicksal ihr im Ganzen vorgeschrieben hat, und ich sage es nochmals, die Grösse desjenigen, was untergehen soll, ist hierin nicht im geringsten hinderlich, denn alles, was gross ist, wird klein, ja es wird gleichsam nur ein Punkt, wenn man es mit dem Unendlichen vergleicht, welches die Schöpfung in dem unbeschränkten Raume die Folge der Ewigkeit hindurch darstellen wird.

Es scheint, dass dieses den Welten, so wie allen Naturdingen verhängte Ende einem gewissen Gesetze unterworfen sei, dessen Erwägung der Theorie einen neuen Zug der Anständigkeit giebt. Nach demselben hebt es bei den Weltkörpern an, die sich dem Mittelpunkte des Weltalls am nächsten befinden, so wie die Erzeugung und Bildung neben diesem Centro zuerst angefangen: von da breitet sich das Verderben und die Zerstörung nach und nach in die weiteren Entfernungen aus, um alle Welt, welche ihre Periode zurück gelegt hat, durch einen allmächlichen Verfall der Bewegungen zuletzt in einem einzigen Chaos zu begraben. Andererseits ist die Natur auf der entgegengesetzten Grenze der ausgebildeten Welt unablässig beschäftigt, aus dem rohen Zeuge der zerstreueten Elemente Welten zu bilden, und indem sie an der einen Seite neben dem Mittelpunkte veraltet, so ist sie auf der andern jung und an neuen Zeugungen fruchtbar. Die ausgebildete Welt befindet sich diesemnach zwischen den Ruinen der zerstörten und zwischen dem Chaos der ungebildeten Natur mitten inne beschränkt, und wenn man, wie es wahrscheinlich ist, sich vorstellt, dass eine schon zur Vollkommenheit gediehene Welt eine längere Zeit dauren könne, als sie bedurft hat, gebildet zu werden: so wird ungeachtet aller der Verheerungen, die die Vergänglichkeit unaufhörlich anrichtet, der Umfang des Universi dennoch überhaupt zunehmen.

Will man aber noch zuletzt einer Idee Platz lassen, die eben so wahrscheinlich, als der Verfassung der göttlichen Werke wohlanständig ist, so wird die Zufriedenheit, welche eine solche Abschilderung der Veränderungen der Natur erregt, bis zum höchsten Grade des Wohlgefallens erhoben. Kann man nicht glauben, die Natur, welche vermögend war sich aus dem Chaos in eine regelmässige Ordnung und in ein geschicktes System zu setzen, sei ebenfalls im Stande, aus dem neuen Chaos, darin sie die Verminderung ihrer Bewegungen versenkt hat, sich wiederum eben so leicht herzustellen und die erste Verbindung zu erneuren? Können die Federn, welche den Stoff der zerstreuten Materie in Bewegung und Ordnung brachten, nachdem sie der Stillstand der Maschine zur Ruhe gebracht hat, durch erweiterte Kräfte nicht wiederum in Wirksamkeit gesetzt werden und sich nach eben denselben allgemeinen Regeln zur Übereinstimmung einschränken, wodurch die ursprüngliche Bildung zuwege gebracht worden ist? Man wird nicht lange Bedenken tragen, dieses zuzugeben, wenn man erwägt, dass, nachdem die endliche Mattigkeit der Umlaufs-Bewegungen in dem Weltgebäude die Planeten und Kometen insgesammt auf die Sonne niedergestürtzt hat, dieser ihre Gluth einen unermesslichen Zuwachs durch die Vermischung so vieler und grosser Klumpen bekommen muss, vornehmlich da die entfernte Kugeln des Sonnensystems unserer vorher erwiesenen Theorie zufolge den leichtesten und im Feuer wirksamsten Stoff der ganzen Natur in sich enthalten. Dieses durch neue Nahrung und die flüchtigste Materie in die grösste Heftigkeit versetzte Feuer wird ohne Zweifel nicht allein alles wiederum in die kleinsten Elemente auflösen, sondern auch dieselbe in dieser Art mit einer der Hitze gemässen Ausdehnungskraft und mit einer Schnelligkeit, welche durch keinen Widerstand des Mittelraums geschwächt wird, in dieselben weiten Räume wiederum ausbreiten und zerstreuen, welche sie vor der ersten Bildung der Natur eingenommen hatten, um, nachdem die Heftigkeit des Centralfeuers durch eine beinahe gänzliche Zerstreuung ihrer Masse gedämpft worden, durch Verbindung der Attractions- und Zurückstossungskräfte die alten Zeugungen und systematisch beziehende Bewegungen mit nicht minderer Regelmässigkeit zu wiederholen und ein neues Weltgebäude darzustellen. Wenn dann ein besonderes Planetensystem auf diese Weise in Verfall gerathen und durch wesentliche Kräfte sich daraus wiederum hergestellt hat, wenn es wohl gar dieses Spiel mehr wie einmal wiederholt: so wird endlich die Periode herannahen, die auf gleiche Weise das grosse System, darin die Fixsterne Glieder sind, durch den Verfall ihrer Bewegungen in einem Chaos versammlen wird. Man wird hier noch weniger zweifeln, dass die Vereinigung einer so unendlichen Menge Feuerschätze, als diese brennenden Sonnen sind, zusammt dem Gefolge ihrer Planeten den Stoff ihrer Massen, durch die unnennbare Gluth aufgelöset, in den alten Raum ihrer Bildungssphäre zerstreuen und daselbst die Materialien zu neuen Bildungen durch dieselbe mechanische Gesetze hergeben werden, woraus wiederum der öde Raum mit Welten und Systemen kann belebt werden. Wenn wir denn diesem Phönix der Natur, der sich nur darum verbrennt, um aus seiner Asche wiederum verjüngt aufzuleben, durch alle Unendlichkeit der Zeiten und Räume hindurch folgen; wenn man sieht, wie sie sogar in der Gegend, da sie verfällt und veraltet, an neuen Auftritten unerschöpft und auf der anderen Grenze der Schöpfung in dem Raum der ungebildeten rohen Materie mit stetigen Schritten zur Ausdehnung des Plans der göttlichen Offenbarung fortschreitet, um die Ewignkeit sowohl, als alle Räume mit ihren Wundern zu füllen: so versenkt sich der Geist, der alles dieses überdenkt, in ein tiefes Erstaunen; aber annoch mit diesem so grossen Gegenstande unzufrieden, dessen Vergänglichkeit die Seele nicht gnugsam zufrieden stellen kann, wünscht er dasjenige Wesen von nahem kennen zu lernen, dessen Verstand, dessen Grösse die Quelle desjenigen Lichtes ist, das sich über die gesammte Natur gleichsam als aus einem Mittelpunkte ausbreitet. Mit welcher Art der Ehrfurcht muss nicht die Seele sogar ihr eigen Wesen ansehen, wenn sie betrachtet, dass sie noch alle diese Veränderungen überleben soll, sie kann zu sich selber sagen, was der philosophische Dichter von der Ewigkeit sagt:

Wenn dann ein zweites Nichts wird diese Welt begraben,
Wenn von dem Alles selbst nichts bleibet als die Stelle,
Wenn mancher Himmel noch, von andern Sternen helle,
Wird seinen Lauf vollendet haben:
Wirst du so jung als jetzt, von deinem Tod gleich weit,
Gleich ewig künftig sein, wie heut.
v. Haller.

O glücklich, wenn sie unter dem Tumult der Elemente und den Trümmern der Natur jederzeit auf eine Höhe gesetzt ist, von da sie die Verheerungen, die die Hinfälligkeit den Dingen der Welt verursacht, gleichsam unter ihren Fussen kann vorbei rauschen sehen! Eine Glückseligkeit, welche die Vernunft nicht einmal zu erwünschen sich erkühnen darf, lehrt uns die Offenbarung mit Überzeugung hoffen. Wenn dann die Fesseln, welche uns an die Eitelkeit der Creaturen geknüpft halten, in dem Augenblicke, welcher zu der Verwandelung unsers Wesens bestimmt worden, abgefallen sind, so wird der unsterbliche Geist, von der Abhängigkeit der endlichen Dinge befreiet, in der Gemeinschaft mit dem unendlichen Wesen den Genuss der wahren Glückseligkeit finden. Die ganze Natur, welche eine allgemeine harmonische Beziehung zu dem Wohlgefallen der Gottheit hat, kann diejenige vernünftige Creatur nicht anders als mit immerwährender Zufriedenheit erfüllen, die sich mit dieser Urquelle aller Vollkommenheit vereint befindet. Die Natur, von diesem Mittelpunkte aus gesehen, wird von allen Seiten lauter Sicherheit, lauter Wohlanständigkeit zeigen. Die veränderlichen Scenen der Natur vermögen nicht, den Ruhestand der Glückseligkeit eines Geistes zu verrücken, der einmal zu solcher Höhe erhoben ist. Indem er diesen Zustand mit einer süssen Hoffnung schon zum voraus kostet, kann er seinen Mund in denjenigen Lobgefängen üben, davon dereinst alle Ewigkeiten erschallen sollen.

Wenn dereinst der Bau der Welt in sein Nichts zurück geeilet
Und sich deiner Hände Werk nicht durch Tag und Nacht mehr theilet:
Dann soll mein gerührt Gemüthe sich, durch dich gestärkt, bemühn,
In Verehrung deiner Allmacht stets vor deinen Thron zu ziehn;
Mein von Dank erfüllter Mund soll durch alle Ewigkeiten
Dir und deiner Majestät ein unendlich Lob bereiten;
Ist dabei gleich kein vollkommnes: denn o Herr! So gross bist du,
Dich nach Würdigkeit zu loben, reicht die Ewigkeit nicht zu.
Addisson nach Gottscheds Übersetzung